Es ist ein Szenario, das viele Hundebesitzer*innen kennen: Der Hund gerät in eine Situation, die ihm Schwierigkeiten bereitet, sei es eine Begegnung mit einem anderen Hund, der Straßenverkehr, ein vorbeigehender Spaziergänger, Besuch zu Hause und vieles mehr. Leider beobachten wir immer wieder, dass die Hunde in genau solchen Momenten allein gelassen werden – sei es durch Ignorieren, Unsicherheit oder falsche Reaktionen. In diesem Artikel beleuchten wir, warum es so wichtig ist, deinem Hund in schwierigen Momenten beizustehen, wie du ihn ernst nehmen und Alternativen anbieten kannst.
Wenn Verhalten extrem wird: Erst die Gesundheit checken!
Bevor wir in die Tiefe gehen, ist eines essenziell: Zeigt dein Hund extremes Verhalten – sei es übermäßig starkes Reagieren auf Umweltreize, Panik, Aggression oder ähnliche Auffälligkeiten – sollte unbedingt eine medizinische Ursache ausgeschlossen werden. Der erste Schritt führt zu einem*r auf Verhaltenstherapie spezialisierten Tierarzt oder Tierärztin. Gesundheitliche Probleme wie Schmerzen, hormonelle Dysbalancen, Unverträglichkeiten, Hautprobleme oder neurologische Störungen können Verhaltensauffälligkeiten begünstigen oder hervorrufen und müssen behandelt werden.
Häufige Reaktionen – und warum sie nicht helfen
Oft beobachten wir typische Verhaltensmuster bei Hundebesitzer*innen, wenn eine Herausforderung auftaucht:
Die Leine wird kurz genommen, der Mensch verspannt sich, und die Situation wird einfach „ausgesessen“.
Verbale Korrekturen wie „Nein!“, „Hör auf!“ oder „Schluss!“ werden eingesetzt, um das Verhalten des Hundes zu unterbinden.
Ignorieren der Situation, vor allem im Freilauf: Der Hund zeigt Stress, bleibt stehen oder entfernt sich, während der Mensch einfach weitergeht.
Ein Beispiel, das dies verdeutlicht: Gestern beobachtete ich einen Hund, der im Freilauf war und uns (zwei Personen mit drei Hunden) sah. Er blieb stehen, drehte um und lief an das andere Ende der Wiese, deutlich bemüht, Abstand zu gewinnen. Seine Besitzerin jedoch ignorierte seine Not, ging lächelnd weiter und sagte: „Die kommt gleich wieder.“ Positiv war, dass der Hund den Raum bekam, den er brauchte. Schade war jedoch, dass seine Besitzerin ihn in dieser schwierigen Situation völlig allein ließ.
Worum geht es also?
1. Lass deinen Hund in schwierigen Situationen nicht allein!
Egal, ob es sich um eine Hundebegegnung, den Straßenverkehr oder eine andere Herausforderung handelt – begleite deinen Hund! Zeige ihm, dass du die Situation erkannt hast und für ihn da bist. Am besten sogar, bevor er selbst die Herausforderung wahrnimmt. Hier einige Ansätze:
Bereite deinen Hund vor: Siehst du den Auslöser frühzeitig, unterstütze deinen Hund, indem du mit ihm eine alternative Route wählst oder seine Aufmerksamkeit gezielt lenkst.
Gehe gemeinsam durch die Situation: Finde heraus, was dein Hund in dieser Situation braucht. Braucht er mehr Raum? Dann mache einen Bogen. Möchte er bei dir bleiben? Leine ihn an und gib ihm Nähe. Manchmal kann es auch helfen den Hund abzuleinen. Voraussetzung ist natürlich ein sicher gelernter Rückruf und dass du trotzdem in Verbindung bleibst mit deinem Hund über Blickkontakt, Zeichen oder Stimme.
Sei geduldig: Schafft es dein Hund anfangs nicht durch die schwierige Situation, kehre um oder finde einen anderen Weg. Langfristig stärkt das das Vertrauen zwischen euch.
2. Nimm deinen Hund ernst in seiner Emotion
Eine schwierige Situation ruft bei deinem Hund eine Emotion hervor – in der Regel eine negative oder unangenehme. Es ist unrealistisch, von ihm zu erwarten, diese Emotion einfach „abzuschalten“. Emotionen lassen sich nicht unterdrücken, aber du kannst deinem Hund helfen, sie zu bewältigen:
Erkenne seine Gefühle: Dein Hund zeigt dir durch sein Verhalten, wie er sich fühlt. Dies ernst zu nehmen, ist der erste Schritt.
Arbeite langfristig an positiven Erfahrungen: Indem du ihn begleitest und Alternativen anbietest, kann aus der negativen Emotion langfristig eine positive werden.
3. Zeige ihm Alternativen und übe sie
Viele Verhaltensweisen, die wir als „Fehlverhalten“ bezeichnen, sind in Wahrheit Strategien, die der Hund entwickelt hat, um mit einer schwierigen Situation umzugehen. Diese Verhaltensmuster wiederholt er, weil sie ihm kurzfristig helfen, den Stress zu bewältigen. Dein Ziel sollte es sein, ihm eine alternative Strategie anzubieten, die er langfristig erlernen kann:
Vermeide „Fehlverhalten“ von vornherein: Lasse deinen Hund gar nicht erst in eine Situation geraten, in der er das unerwünschte Verhalten zeigt. Prävention ist hier entscheidend.
Führe stressfreie Alternativen ein: Beispiele können ein sicherer Blickkontakt, eine kurze Übungsabfolge (z. B. Sitz-Platz-Sitz) oder eine Schnüffelübung sein. Target-Training oder Leckerli-Suchen können ebenfalls helfen. Wichtig ist, dass die Alternative deinem Hund Sicherheit bietet.
Lob! Lob! Lob! Für jedes Verhalten deines Hundes, wo er noch entspannt und ruhig ist sollte überschwänglich belohnt werden. Finde auch hier heraus, was dein Hund gerne hat. Schnüffeln? Leckerlie? Streicheleinheiten? Spiel? Alles kann ein Lob sein. Passe den Moment ab, bevor seine Stimmung kippt. Lobe ihn, überschütte ihn mit Leckerlies und wende dich von der Herausforderung ab. Mit vielen Wiederholungen und viel Lob wird es deinem Hund immer besser gelingen durch schwierige Situationen durchzukommen. (Bitte beachte: Positives Hundetraining, Lob und Belohnung sind komplexe Themen, die hier sehr vereinfacht dargestellt werden. Dazu kann man ganze Bücher schreiben. Interessierst du dich dafür? Sprich uns gerne an. Wir empfehlen dir gerne weitere Informationsquellen)
Sei geduldig: Das Erlernen neuer Verhaltensmuster braucht Zeit. Zu Beginn wird es deinem Hund schwerfallen, das alte Muster zu durchbrechen, doch mit wiederholtem Training wird die neue Strategie zur Gewohnheit.
Dein Ziel: Sei der Anker für deinen Hund
Der Hund gestern am anderen Ende der Wiese hat sich sicherlich eine Sache nicht gedacht: „Super, auf mein Frauchen ist Verlass.“
Aber letztendlich geht es genau darum, deinem Hund das Gefühl zu geben, dass er sich auf dich verlassen kann – in jeder Situation. Du bist sein Anker, sein sicherer Hafen. Er sollte wissen, dass ihr jede Herausforderung gemeinsam meistert, wenn er sich an dir orientiert. Ignorieren, Schimpfen oder einfaches Weitergehen helfen deinem Hund nicht. Stattdessen stärkt es die Beziehung zwischen euch, wenn du ihn begleitest, ernst nimmst und ihm Alternativen bietest.
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